Neue Richtlinien für den ambulanten Pflegedienst 2017

„Pflegebedürftig sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen.“

Die Selbständigkeit eines Menschen, seine Ressourcen und seine Fähigkeiten werden differenziert erfasst. Der ressourcenorientierte Ansatz ermöglicht zudem eine systematische Erfassung von Präventions und Rehabilitationsbedarf. Dies ist das neue Begutachtungsverfahren, in dessen Rahmen der Medizinische Dienst (MDK) die Pflegebedürftikeit feststellt und die Einstufung in Pflegegrade vornimmt.

Pflegegrade im ambulanten Pflegedienst

  • Pflegegrad I             = geringe Beeinträchtigung
  • Pflegegrad II           = erhebliche Beeinträchtigung
  • Pflegegrad III         = schwere Beeinträchtigung
  • Pflegegrad IV         = schwerste Beeinträchtigung
  • Pflegegrad V           = schwerste Beeinträchtigung   (Demenz, vollständige Immobilität)

Hierfür werden sechs Aktivitätsbereiche (Module) eines Menschen in den Fokus genommen. Bei dieser Überprüfung geht es einerseits darum festzustellen, wie selbstständig die Person die Aktivitäten ausführen kann. Zugleich soll erkannt werden, wo die Selbständikeit oder die Fähigkeiten beewinträchtigt sind und daher Hilfe vonnöten ist. Für jedes Modul werden dabei Punkte vergeben.

Der Mensch mit seinen Ressourcen steht im Mittelpunkt

Es werden gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten in sechs Lebensbereiche (Module) erhoben und mit Punkten bewertet:

  • Mobilität = 10 %
  • kognitive und kommunikative Fähikeiten = 15 %
  • Verhaltensweise und psychische Problemlagen = 15 %
  • Selbstversorgung = 40 %
  • Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder Theapiebedingten Anforderung und Belastungen = 20 %
  • Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte = 15%

Darüber hinaus wird die Beeinträchtigungen der Selbständigkeit bei außerhäuslichen Aktivitäten und Haushaltsführung, festgestellt.

Unter Selbständikeit versteht man die Fähikeit eines Menschen, eine Aktivität alleine – also ohne Unterstützung eines anderen ausführen zu können. Selbständig ist auch , wer eine Handlung mit einem Hilfsmittel umsetzen kann. Wenn sich jemand innerhalb seiner Wohnung mit einem Rollator fortbewegen kann und dabei keine Unterstützung durch eine andere Person braucht, dann ist er selbständig

In den einzelnen Modulen wird nicht die Selbständgkeit erfasst
z. B. Modul 2 bewertet, ob und in welchem Ausmaß eine Fähigkeit vorhanden ist
Modul 3 wird festgehalten, wie häufig eine Verhaltensweise ist.

Das Ergebnis der Beurteilung der einzelnen Kriterien ist der Grad der Beeinträchtigung in diesem Lebensbereich. Aus der Zusammenführung der Teilergebnisse zu den sechs Modulen ergibt sich der Pflegegrad des Antragsteller. Insgesamt werden zukünftig fünf Pflegegrade unterschieden.
Darüber hinaus werden die Bereich außerhäusliche Aktivitäten und Haushaltsführung betrachtet, diese fließen nicht in die Bewertung mit ein. Sie sind jedoch eine wichtige Grundlage für die Pflege- und Hilfeplanung.

Die Module im Einzelnen

Modul 1: Mobilität 10 %

Dieses Modul umfasst zentrale Aspekte der Mobiltät im Wohnbereich eines Menschen – sei es in der eigenen Wohnung oder im Heim. Es geht um motorische Fähigkeiten eines Menschen und nicht um die Frage, ob die Mobilität aufgrund von kognitiven Beeinträchtigungen eingeschränkt ist. Die Bewertung der Selbständigkeit erfolt anhand einer vierstufigen Skala mit den Ausprägungen „selbständig“, „überwiegend selbständig“, “ überwiegend unselbständig“ und “ unselbständig.“
Dies soll anhand des Kriteriums „Treppensteigen“ erläutert werden. Das Treppensteigen ist in den Begutachtungs- Richtlinien als das “ Überwinden von Treppen zwischen zwei Etagen“ definiert. Es wird unabhängig von der aktuellen Wohnsituation bewertet.
Selbständig ist jemand , der ohne Hilfe durch eine andere Person eine Treppe in aufrechter Position steigen kann. Unselbständig ist daghegen jemand, der getragen oder mit Hilfsmitteln transportiert werden muss und dabei keine Eigenbeteiligung zeit. Überwiegend selbständig ist eine Person, die eine Treppe alleine steigenkann, aber die wegen eines Sturzrisikos Begleitung benötigt. Wenn jemand überwiegend unselbständig ist, dann ist das Treppensteigen nur mit Stützen oder Festhalten der Person möglich

1.1 Positionswechsel im Bett
1.2 Halten einer stabilen Sitzposition
1.3 Umsetzen
1.4 Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs
1.5 Treppensteigen
1.6 Besondere Bedarfskonstellation
Gebrauchsunfähikeit beider Arme und Beine

Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten 15 %

Es wird nicht die Selbständigkeit eingeschätzt, sondern in welchem Ausmaß die jeweilige geistige Fähigkeit vorhanden ist („vorhanden/unbeeinträchtigt“, “ größtenteils vorhanden“,
„im geringen Maße vorhanden“ und „nicht vorhanden“)

2.1     Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld
2.2    Örtliche Orientierung
2.3     Zeitliche Orientierung
2.4     Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen
2.5     Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen
2.6     Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben
2.7     Erkennen von Risiken und GEfahren
2.9     Mitteilen von elementaren Bedürnissen
2.10   Verstehen von Aufforderungen
2.11    Beteiligem an einem Gespräch

Modul 3: Verhaltensweisen und Psychische Problemlagen 15 %

Verhaltensweisen und psychische Problemlagen als Folge von Gesundheitsproblemen, die immer wieder auftreten und personelle Unterstützung erforderlich machen.
Der Gutachter erfasst, wie oft bestimmte Verhaltensweisen personelle Unterstützung erforderlich machen. Ist die Unterstützung nie oder selten notwendig, so entspricht die 0 Punkte – ist die Unterstützung dagegen täglich nötig, so werden 5 Punkte erreicht.

3.1     Motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten
3.2     Nächtliche Unruhe
3.3     Selbstschädigenedes und autoaggressives Verhalten
3.4     Beschädigen von Gegenständen
3.5     Physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen
3.6     Verbale Aggression
3.7     Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen
3.9     Wahznvorstellungen
3.10    Ängste
3.11     Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage
3.12     Sozial inadäquate Verhaltensweisen
3.13     Sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen

Modul 4: Selbstversorgung 40 %

Hier ist das gültige Begutachtungsinstrument von Relevanz. Hierzu gehören das Waschen, An- und Auskleiden, die Ernährung und das Ausscheiden. Der Gutachter schätzt die Selbständigkeit ein.

4.1     Waschen des vorderen Oberkörpers
4.2     Körperpflege im Bereich des Kopfes
4.3     Waschen des Intimbereichs
4.4     Duschen und BAden einschließlich Waschen der Haare
4.5     An- und Auskleiden des Oberkörpers
4.6     An- und Auskleiden des Unterkörpers
4.7     Mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken
4.8    Essen
4.9     Trinken
4.10    Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls
4.11    Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma
4.12    Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma
4.13    Ernährung parenteral oder über Sonde

Modul 5: Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheit-oder therpiebedingten Anforderungen und Belastungen 20%

Hier geht es um die Selbständigkeit eines Menschen bei der Bewältigung seiner Gesundheitsprobleme. Kann jemand mit Therapien und anderen krankheitsbedingten Anforderungen umgehen.

5.1     Medikamente
5.2     Injektionen
5.3     Versorgung intravenöser Zugänge (Port)
5.4     Absaugen und Sauerstoffgabe
5.5     Einreibungen oder Kälte- und Wärmeanwendungen
5.6     Messung und Deutung von Körperzuständen
5.7     Körpernahe Hilfsmittel
5.8    Verbandswechsel und Wundversorgung
5.9    Versorgung mit Stoma
5.10  Regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden
5.11   Therapiemethoden in der häuslichen Umgebung
5.12   Zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung
5.13   Arztbesuche
5.14   Besuch anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen (bis zu 3 Stunden)
5.15   Zeitlich ausgedehnte Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen (länger als 3 Stunden)
5.16   Einhaltung einer Diät und anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften.

Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte 15%

Bei der Gestaltung des Alltagslebens spielen sowohl mentale als auch motorische Fähigkeiten eine Rolle. Es wird festgestellt, ob der pflegebedürftige Mensch individuell und bewusst seinen Tagesablauf gestalten kann und ob er in der Lage ist, mit Menschen in seinem unmittelbaren Umfeld Kontakt aufzunehmen.

6.1    Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen
6.2   Ruhen und Schlafen
6.3   Sich beschäftigen
6.4   Vornehmen in die Zukunft gerichteten Planungen
6.5   Interaktion mit Personen im direkten Kontakt
6.6   Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfeldes

Der Gutachter vergibt zu jedem Modul Punkte. Die Punktesumme aus den einzelnen Modulen ergibt die Pflegegrade.
Ab 12,5 Punkte ist der Pflegegrad 1 erreicht – geringe Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
Ab 27 Punkte besteht eine erhebliche Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten. Dies entspricht dem Pflegegrad 2.
Ab 47,5 Punkte wird von einer schweren Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeit gesprochen , dies ist die Voraussetzung für den Pflegerad 3.
Ab 70 Punkten erhält jemand den Pflegegrad 4 – schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten
Ab 90 Punkten den Pflegegrad 5. Die Voraussetzungen für Pflegegrad 5 sind auch gegeben, wenn jemand seine Greif-, Steh- und Gehfunktionen vollständig verloren hat – unabhängig vom erzielten Punktwert in den 6 Modulen

Pflegeberatungsbesuche finden weiterhin statt

Pflegegrad I: kann gemacht werden muss aber nicht

Pflegegrad II und III: muss halbjährlich gemacht werden

Pflegegrad IV und V: muss vierteljährlich gemacht werden